Staatsstreich in Australien

Heute leben wir in einer Zeit, in der eine Machtübernahme durch kompromisslose Linke (also keine Sozialdemokraten) in einigen Ländern plötzlich in den Bereich des Möglichen rückt: Jeremy Corbyn in Grossbritannien, Jean-Luc Mélenchon in Frankreich, sogar Bernie Sanders in den USA. Es ist klar, dass diejenigen, die davon etwas zu verlieren hätten, Gegenmassnahmen für diesen Fall vorbereiten.

Ein Präzedenzfall ist der Staatsstreich vom 11.November 1975 in Australien, mit dem der konsequent linke Premierminister Gough Whitlam und seine Labor Party-Regierung gestürzt wurden. Eine aktive Rolle spielte dabei der US-Geheimdienst CIA, wie durch eine Veröffentlichung von James Nathan in der US-Fachzeitschrift „Foreign Policy“ 1982 gezeigt wurde. Nun ist die politisch eher rechtsgerichtete Foreign Policy alles andere als ein marginales Revolverblättchen, sondern ein Sprachrohr des aussenpolitischen Establishments der USA.

Nach 32 Jahren konservativer Herrschaft wurde 1972 in Australien die Labor Party an die Regierung gewählt. Premier Gough Whitlam und seine Regierung waren den Rechten und den USA massiv ein Dorn im Auge. Sie standen der US-Aussenpolitik in Asien sehr kritisch gegenüber, nicht nur wegen der Kriege in Vietnam, Laos und Kambodscha, sondern auch der atomaren Aufrüstungspolitik. Sie wollten sogar die gigantische US-Abhöranklage „Pine Gap“ mitten in Australien schliessen. Es war klar, diese Regierung musste destabilisiert und schlussendlich abgesetzt werden. Am 11.11.1975 war es so weit: der Statthalter der britischen Queen, Generalgouverneur John R.Kerr, setzte den Premier ab und setzte Neuwahlen an. Details hier.

Es war eine Meisterleistung der Mainstream-Medien und –Politiker, dass über diesen Staatsstreich in Europa und den USA, also der sogenannten „freien Welt“, praktisch nicht gesprochen wurde. Sozialdemokraten in Europa war es piepegal, dass ein Sozialdemokrat in der westlichen Demokratie Australien durch einen Geheimdienstcoup gestürzt wurde: an ihren Treueschwüren zur NATO änderte das nichts. Nicht einmal die in Grossbritannien regierende Labour Party rührte sich – immerhin wurde der sogenannte „Generalgouverneur“ Kerr, also der Statthalter der britischen Krone in Australien, von London ernannt. In der deutschsprachigen Mainstream-Presse gab es praktisch kein Echo. Stattdessen kultivierte man die Legenden vom „freien Westen“, in dem das Volk seine Regierung frei aussuchen kann, während im „Ostblock“ die Sowjets missliebige Regierung wie die des „Prager Frühlings“ natürlich gleich absetzen. Auch in Australien weiss heute kaum noch jemand, wie die Konservativen gemeinsam mit der CIA eine gewählte linke Regierung weggeputscht haben. Man sollte vielleicht dazu sagen, dass auch der rechte Flügel der Labor Party heilfroh über den Putsch war.

Zum Nachlesen eine Hintergrund-Broschüre des exzellenten investigativen Journalisten Denis Freney aus Sydney vom Oktober 1985 „Get Gough!“ – und ein Kurzartikelchen aus der Wochenzeitung „Die Grünen vom 11.12.1982. Dieses Artikelchen berichtet zwar über eine Ungeheuerlichkeit, einen Staatsstreich im „freien Westen“, aber das interessierte von links rechts niemanden in Deutschland.